Was ist Klima-Erhitzung (bzw. Erd-Erhitzung)?

Der Begriff „Klimaerhitzung“ bezeichnet den Anstieg des Mittelwerts der oberflächennahen Temperatur der Erdatmosphäre über einen längeren Zeitraum, allerdings ohne als offizieller wissenschaftlicher Begriff etabliert zu sein. Synonym werden in der Fachliteratur häufig Begriffe wie „globale Erwärmung“ oder Klimaänderung verwendet.

Dieser Begriff ist vergleichsweise neu und wird seit etwa 2017 zunehmend in Medien und populärwissenschaftlichen Texten genutzt. So findet sich auf der Website der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. im Artikel Kommunizieren für die Verkehrswende vom 20. Dezember 2018 folgende Aussage:

„Die heutige Kommunikationswelt ist komplex – um Informationen aufnehmen zu können, müssen Menschen Ankerpunkte geboten bekommen, die eine Einordnung ermöglichen. Die Lernpsychologie zeigt klar, dass sich dazu Geschichten, Storys, als Werkzeuge eignen. Mit deren Hilfe lernen wir schneller und dauerhafter als auf deduktive Weise. Gute Geschichten verinnerlichen wir leichter als abstrakte Informationen. Sie sind menschlich, nachvollziehbar, nah an der eigenen Lebenswelt, man kann sich besser damit identifizieren.

Von ebenso zentraler Bedeutung ist es, die eigenen Botschaften in einen Rahmen, einen Frame, einzubinden. Wir Menschen haben das Verlangen danach, Informationen, Sachverhalte, Ereignisse in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. ‚Frames führen also dazu, dass sich einzelne Worte über das aufgerufene singuläre Konzept hinaus auf unsere Wahrnehmung der Welt auswirken!‘, schreibt die Linguistin und Autorin Elisabeth Wehling in ihrem Standardwerk zum politischen Framing. Spricht man etwa von der Klimaerwärmung, dann assoziieren wir allzu schnell wohlige Temperaturen am Kamin. Das Wort ‚Klimaerhitzung‘ hingegen ordnet den Begriff in eine Umgebung ein, die so gar nicht angenehm erscheint, sondern Stress produziert.“

Es ging demnach also ausdrücklich nicht darum, einen Begriff zu finden, der die physikalischen Vorgänge genauer oder verständlicher beschreibt. Gesucht wurde stattdessen ein Begriff, der unabhängig von den Tatsachen beim Empfänger möglichst sicher möglichst negative Gefühle auslöst.

Beim als „Standardwerk zum politischen Framing“ bezeichneten Werk von Elisabeth Wehling handelt es sich offenbar um das am 17. Februar 2016 erschienene Buch „Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht“. Noch bis zum Jahr 2021 wurde das Buch auch als Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung vermarktet. Deren noch immer verfügbare Leseprobe enthält das gesamte erste Kapitel des Buches. Dort findet man auf Seite 41 folgende Zusammenfassung zum Kapitel 1.8 „Worte, die uns altern lassen: Frames bestimmen unser Handeln“:

„So wenig uns dies im Alltag auch bewusst sein mag: Wir alle denken und handeln tatsächlich nach Worten. Die Sprache, die wir hören oder lesen, aktiviert Frames in unseren Köpfen. Teil dieser Frames ist immer auch die kognitive Simulation von Dingen, die wir in der Regel überhaupt nicht als Teil von ‚Sprache‘ einstufen – Bewegungen, Geräusche, Gerüche, Emotionen, Bilder und vieles mehr. Weil jedes Wort einen Frame aktiviert, kommuniziert man mit jedem Wort eine ganze Fülle von Ideen, die aufgrund unserer Welterfahrung mit diesem Wort in Zusammenhang stehen. Frames nehmen einen erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, und sie können sich stark darauf auswirken, mit welcher Leichtigkeit wir Fakten und Informationen wahrnehmen. Denn nur dann, wenn ein Fakt in einen aktivierten Frame passt, sinkt er problemlos und schnell in unser Bewusstsein. Und nicht zuletzt nehmen die über Sprache aktivierten Frames direkten Einfluss auf unser eigenes Handeln.“

Frau Wehling weckt also bewusst den Eindruck, dass man allein mit der geeigneten Wortwahl Menschen dazu bringen könne, auch gegen ihren eigentlichen Willen zu handeln. Die Realität ist allerdings, wie so oft, deutlich komplizierter – und die Wortneuschöpfung „Klimaerhitzung“ ist dafür sogar ein besonders schönes Beispiel: Für Frau Wehling ist Hitze offenkundig etwas unangenehmes, ebenso für die Autoren der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. Ob das bei Frau Wehling an Hitzewallungen liegt, bei den Autoren der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. am Gedanken an die Hölle, lässt sich für Außenstehende nicht beurteilen, womöglich sogar für die jeweiligen Personen selbst nicht. Genau dies ist aber das Problem beim Versuch, Framing gezielt für politische Agitation einzusetzen, wie es sowohl Frau Wehling als auch die Heinrich-Böll-Stiftung e.V. empfehlen. Denn Framing besteht aus zwei Elementen: der Rahmen, den der Absender gezielt setzen möchte und der Rahmen, in den der Empfänger die Aussage tatsächlich einordnet. Bei „Erhitzung“ denken manche Menschen an einen geselligen Grillabend, an das Zubereiten von Kaffee oder Tee, oder an einen entspannenden Saunabesuch. Andere denken an einen überhitzenden Akku oder an ein brennendes Haus. Wieder anderen kommt dabei eine hitzige Debatte unter Freunden oder Gegnern in den Sinn und schließlich erinnern sich manche stattdessen an das Bearbeiten von Metall oder Glas, oder an das Verarbeiten von profanen Gegenständen zu kleinen Kunstwerken (oder Kitsch) mittels Heißkleber.

Und selbstverständlich kennt auch Frau Wehling dieses Problem – oder sollte es zumindes kennen. Denn im Buch „Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht“, das sie zusammen mit ihrem späteren Doktorvater George Lakoff verfasst hat, findet sich in Kapitel 1.3 folgender Absatz:

„Wir haben also eine Metapher für eine ziemlich abstrakte Idee, die Idee der Zuneigung. Diese Metapher lautet Zuneigung ist Wärme. Weshalb? Nun, wenn wir als Kind von unseren Eltern im Arm gehalten werden, dann spüren wir Wärme. Und wir spüren Zuneigung. Wir erleben also – immer und immer wieder – physische Wärme und emotionale Zuneigung gleichzeitig. Die emotionalen Regionen in unserem Gehirn sind aktiv, und die Regionen zur Erfassung von Temperatur sind aktiv. Sie liegen an verschiedenen Orten im Gehirn. Wir ‚lernen‘ Verbindungen zwischen beiden. Es ist keine rationale Entscheidung. Wir merken noch nicht einmal, dass es passiert. Es passiert einfach.“

Einmal vom Mitleid abgesehen, das man automatisch gegenüber einem Menschen empfindet, der trotz seines bereits fortgeschrittenen Alters (George Lakoff ist Jahrgang 1941, war beim Erscheinen dieses Buches im Jahr 2007 also bereits 65 Jahre alt) Zuneigung offenbar ausschließlich als körperliche Nähe empfunden hat, benötigt es nicht viel Fantasie, sich vor dem geistigen Auge Szenen vorzustellen, bei denen diese körperliche Wärme zur Hitze wird. In diesen Rahmen verpackt bekommt „Klimaerhitzung“ eine Bedeutung, die eher an die Lederhosenfilme der siebziger Jahre erinnert.

Wesentlich problematischer ist am Begriff „Klimaerhitzung“ allerdings, dass er offenkundig weit über das hinaus geht, was selbst die pessimistischsten Klimawissenschaftler an Zukunftsszenarien prognostizieren. Solche deutlich übertriebenen Wortschöpfungen neigen aber dazu, beim Empfänger entweder Heiterkeit oder Misstrauen oder sogar Ablehnung hervorzurufen. Der Volksmund beschreibt diese Wirkung mit der Metapher „den Bogen überspannen“.

Mit ihrer stark vereinfachten Behauptung über die Wirkung von Framing trifft Frau Wehling aber durchaus auf offene Ohren, nicht nur bei der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. So verwendet der 2024 vom Umweltbundesamt herausgegebene, von diesem in Auftrag gegebene und als „Forschungsprojekt im Rahmen des Klimaforschungsplan“ geförderte Zwischenbericht „Effiziente Ansätze in der Klimakommunikation“ nicht nur durchgehend den Begriff „Klimaerhitzung“, sondern begründet auch den Einsatz solcher gezielten Manipulationen (auf Seite 92):

„Das heißt keinesfalls, dass faktische, gut verständliche Informationen aus der Klimaforschung unwichtig seien. Sie bereitzuhalten, ist essenziell, aber sekundär: Sie dienen dazu, Fragen zu beantworten, das Bild abzurunden, aufkommende Zweifel zu bekämpfen, nachdem sich Menschen im Prinzip entschieden haben, sich im Klimaschutz zu engagieren, politische Initiativen mitzutragen oder sogar darauf zu drängen. Primär ist es aber, diese Einstellungen und Überzeugungen zu fördern. Die Faustregel lautet also: Nicht das Wissen weckt das Empfinden, dass die Menschen die Klimakrise bewältigen müssen, sondern das Bewusstsein der Klimakrise weckt das Interesse am Wissen.“

Neu ist diese Idee allerdings nicht. Bereits in seinem Werk Was tun? schrieb Wladimir Lenin im Jahr 1902:

„Bisher waren wir (zusammen mit Plechanow sowie mit allen Führern der internationalen Arbeiterbewegung) der Meinung, daß der Propagandist zum Beispiel bei der Behandlung der Frage der Arbeitslosigkeit die kapitalistische Natur der Krisen erklären, die Ursache ihrer Unvermeidlichkeit in der modernen Gesellschaft aufzeigen, die Notwendigkeit der Umwandlung dieser Gesellschaft in eine sozialistische darlegen muß usw. Mit einem Wort, er muß ‚viele Ideen‘ vermitteln, so viele, daß sich nur (verhältnismäßig) wenige Personen alle diese Ideen in ihrer Gesamtheit sofort zu eigen machen werden. Der Agitator hingegen, der über die gleiche Frage spricht, wird das allen seinen Hörern bekannteste und krasseste Beispiel herausgreifen – z.B. den Hungertod einer arbeitslosen Familie, die Zunahme der Bettelei usw. – und wird alle seine Bemühungen darauf richten, auf Grund dieser allen bekannten Tatsache der ‚Masse‘ eine Idee zu vermitteln: die Idee von der Sinnlosigkeit des Widerspruchs zwischen der Zunahme des Reichtums und der Zunahme des Elends, er wird bemüht sein, in der Masse Unzufriedenheit und Empörung über diese schreiende Ungerechtigkeit zu wecken, während er die restlose Erklärung des Ursprungs dieses Widerspruchs dem Propagandisten überlassen wird.“

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